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S.
PROF. DR. FREUD
WIEN IX., BERGGASSE 19.
1. 1. 1929
My dear Brill
Es ist sehr schön, wieder
einmal von Ihnen zu
hören. Bei so seltenem
Briefwechsel kann man
nicht alle Nachrichten
unterbringen, aber ich
weiß jetzt wenigstens, daß
Sie sich wol befinden,
Ihr Herz loben dürfen
und was mich besonders
freut, daß Sie wieder
etwas zu schreiben ge-
denken. Gerne hätte ich
von Ihrer Ernennung zum
Lehrer der Psychoanalyse
an der Columbia gehört,
aber ich war vorbereitet
darauf, daß man Sie hin-
halten wird.Lehrman ist eine angenehme
Überraschung für mich ge-
worden. Ich hatte auch nach
Ihren Berichten nicht
zuviel von ihm erwartet,
aber ich finde, daß er
aus besserem Stoff ist
als die meisten Amerikaner,
die ich kennen gelernt
habe, ein feiner, zärt-
licher Mensch, ziemlich normal
und einer der die Analyse
gut kennt. Das überhetzte -
S.
Leben in New York ist leider nicht
geeignet, die Produktivität
anzuregen.Ich habe mir durch den Besuch
in Berlin bei Schröder
wirklich eine bedeutende
Besserung geholt. Den kurzen
Flugversuch fand ich sehr
unterhaltend. Weder
Schwindel noch Unsicherheit
oder Angst, nur die sonder-
baren Gefüle im Unter-
leib wie raschen Senk-
ungen, wie man sie auch
vom Lift oder von der
scenic railway kennt. Daran
müßte man sich doch bald
gewöhnen.Mit den Geldmitteln für
Verlag u Institut geht es
uns leider schlecht und
ich erwarte mir nichts aus
dem Dollarland. Alle
maßgebenden Stellen sind
der Analyse sehr feindlich
gesinnt. Der Fond ist leer,
besitzt auch keine Formulare.Den 17 März merke ich
mir vor.Mit herzlichem Gruß
u Wünschen für 1929
Ihr
Freud