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Wiener klinische Rundschau 1895. Nr.5.
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Verein für Nervenheilkunde und Psychiatrie.
Sitzung vom 15. Jänner 1895.
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Nach dieser Demonstration beendigt Doc. Dr. Freud
den von ihm in der letzten Sitzung begonnen Vortrag ‹über
Zwangsvorstellungen›Freud stellt in demselben auf Grund zahlreicher Erfahrungen,
die er an der Hand einer Reihe interssanter Krankengeschichten
illistriert, eine neue Theorie über die Entstehung von Zwangsvor-
stellungen auf, welche umsomehr Interesse beansprucht, alsi sie
nicht nur einen neuen, sondern vielmehr den ersten Versuch dar-
stellt, auf das schwierige Problem der Zwangsvorstellungen einiges
Licht zu werfen.Auf dem Wege psychologischer Analyse sucht Freud in
jeder einzelnen seiner Krankengeschichten den Ursprung und die
Bedingungen für das Auftreten der Zwangsvorstellungen aufzuweisen.S.
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Nr. 5. Wiener klinische Rundschau 1895.
und auf dem Boden dieses mit allen Hilfsmitteln des erfahrenen
Psychologen gesammelten Materials baut Freud in geistreicher
Weise seine Theorie auf, welche in der Aufdeckung des ‹Mechanis-
mus› für das Zustandekommen der Zwangsvorstellungen gipfelt. –Eine in der letzten Nummer der ‹Révue nerologique› erschienene
Arbeit Freud's (‹obsessions et phobies›) behandelt dasselbe Thema
in extenso, und wird in einer der nächsten Nummern hier aus-
führlich besprochen werden.Hofr. v. Krafft-Ebing stellt den Antrag, die Discussion über
den gehörten Vortrag auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung
zu setzen und demonstrirt im Anschluss noch einen Patienten,
dessen Erkrankung er als ‹Basophobie› bezeichnen möchte. [...]
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